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Amtsübergabe: Nancy Pelosi überreicht John Boehner den Speaker's Gavel.

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John Boehner, Solarienfreund und künftig zweitmächtigster Mann der US-Politik.

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Christian Lammert sieht Obamas Chancen intakt.

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Die neuen Mandatsverhältnisse im US-Kongress läuten den zweiten Teil der Amtszeit von US-Präsident Barack Obama ein. derStandard.at hat den renommierten Politologen und USA-Forscher Christian Lammert von der Freien Universität Berlin gefragt, was er sich von den neuen Mehrheiten in Washington erwartet.

derStandard.at: Wie schätzen Sie den neuen House Speaker John Boehner ein?

Christian Lammert: Er positioniert sich momentan als Gegenspieler zu Obama, auch was seine Agenda betrifft. Er hat ja angekündigt, vieles von dem rückgängig machen zu wollen, was Obama in den ersten beiden Jahren durchgesetzt hat. Aber wenn man sich seine bisherige Arbeit im Kongress anschaut, gehört er eigentlich mehr zu den gemäßigten, zentristischen Republikanern. Er hat auch schon vielfach angedeutet, dass er zu Kompromissen bereit ist. Boehner steht derzeit aber vor der schwierigen Aufgabe, das breite Spektrum der Partei zu vereinen. Das versucht er momentan durch Polarisierung, in der täglichen Arbeit mit den Demokraten dürfte er aber sehr pragmatisch sein.

derStandard.at: Droht von Seiten der Tea Party Bewegung weiter Widerstand?

Lammert: Das wird schwierig. Im Repräsentantenhaus gehören viele der neuen republikanischen Abgeordneten der Tea Party an, diese Leute brauchen jetzt erst einmal Zeit, um sich zurechtzufinden, um zu lernen, wie der Alltag in Washington überhaupt funktioniert. Die Gefahr besteht sicher, dass sich die Tea Party Leute auch auf Spielchen einlassen müssen, um etwas zu erreichen. Außerdem können sie es sich eigentlich auch gar nicht leisten, Fundamentalopposition zu betreiben, weil das bei den Wählern meistens nicht ankommt. Das amerikanische politische System ist darauf ausgerichtet, für seinen Wahlkreis etwas zu erreichen, sonst wird man nicht wiedergewählt. Daran werden natürlich auch die Tea Party Leute gemessen. Darüber hinaus ist die Bewegung auch sehr disparat, was ihre Zielsetzungen betrifft. Manche sind Sozialkonservative, bei denen es um Abtreibung und Implantationsdiagnostik geht, andere wieder Fiskalkonservative, die keinen großen Staat haben wollen.

derStandard.at: Einzelne Bundesstaaten gehen nun juristisch gegen Obamas Gesundheitsreform vor. Kann sie noch aufgehalten werden?

Lammert: Nein, keinesfalls. Die Republikaner im Repräsentantenhaus haben zwar angekündigt, nächste Woche eine Abstimmung durchführen zu wollen, um die Reform ganz rückgängig zu machen. Das ist aber Symbolpolitik. Die Reform fängt jetzt peu à peu an zu wirken und ist, wenn man die Umfragen betrachtet, auch sehr populär. Das einzige, was ich mir vorstellen kann, ist, dass einige Bundesstaaten versuchen, mehr Kompetenzen in einigen Bereichen der Bereitstellung der Gesundheitsleistung heraus zu verhandeln. Grundlegend glaube ich nicht, dass es zu einer größeren Reform der Reform oder gar zu einer Rücknahme kommt.

derStandard.at: Hat Obama Ihrer Ansicht nach noch Chancen auf die Wiederwahl?

Lammert: Seine Chancen sind sogar leicht gestiegen. Man könnte etwa die Amtszeit Bill Clintons als Vergleich heranziehen. Auch er hat eine massive Niederlage erlitten und es dann geschafft, sich als Kommunikator zwischen den Parteien zu positionieren, was ihm viel Ansehen gebracht hat. Obama muss jetzt nicht mehr mit einer Fundamentalopposition der Republikaner rechnen, sie müssen sich auf ihn einlassen. Wenn er geschickt mit den zwei Parteien spielt, kann er noch einige Reformen durchsetzen. Ganz wichtig wird aber natürlich sein, wie sich die Wirtschaft entwickelt. Gehen die Arbeitslosenzahlen herunter, sieht es für Obama gut aus. (flon/derStandard.at, 5.1.2011)